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DMS im Gespräch mit KPM Königliche Porzellan-Manufaktur Berlin.

Wie sehen Sie die Zukunft von KPM?

Als ich KPM übernommen habe, war die Manufaktur ein staatliches Unternehmen – und zunächst ging es nur darum, das Kulturgut KPM für Berlin und für Deutschland zu erhalten. Das war zwar eine ehrenwerte Sache, aber absolut unwirtschaftlich. Ich musste sehen, eine gewisse Wirtschaftlichkeit in das Geschäft hineinzubringen, was bei einer Manufaktur grundsätzlich nicht einfach ist, schon gar nicht beim Porzellan.

Wie stellt man das an?

Man muss einerseits die Dinge bewahren, aber andererseits auch neue Märkte erschließen, also Produkte entwerfen, die in den Zeitgeist passen. Im asiatischen Markt sind wir sehr erfolgreich, dort können wir gar nicht so viel liefern, wie gefragt ist. In Deutschland haben wir den Zeitgeist eingefangen und Serien aufgelegt, die bei einer jungen Klientel Interesse finden, wie etwa die LAB-Serie. Unsere Tischkultur hat sich ja völlig verändert. Die Zeiten sind vorbei, als zur Hochzeit eine Aussteuer für 24 Personen bestellt wurde.

Wie übertragen Sie die Tischkultur in die Gegenwart?

Die Tischkultur in die Gegenwart übertragen bedeutet, dass man keine Gesellschaft von 12 Personen vor Augen hat, für die man das Service entwickelt. Eher sind es heute vier. Man isst in der Küche. Das Porzellan kommt aus dem Schrank sozusagen ins Leben. Aber was soll Tischkultur heute sein? Es ist erschreckend, wenn auf einer Küchenmesse Küchen für Hundert- oder Zweihunderttausend Euro mit billigem Porzellan dekoriert werden. Die Tischkultur ist ein Gesamtkunstwerk. Es muss viel getan werden, damit diese Kette aus der Zierde, Service und Essen nicht unterbrochen wird.

Einige Porzellan-Manufakturen in Deutschland sind staatlich finanziert.

Wir nicht. KPM ist die einzige private Manufaktur in Deutschland. Das ist eine große Belastung, aber auch eine Chance – wir müssen nicht durch zahllose Instanzen gehen, um etwas zu wagen.

Was ist Ihre Strategie für die Zukunft?

Wir haben da eine klare Ausrichtung. Ich sehe für die Manufaktur in der Zukunft eine drei-Säulen-Strategie: da ist erstens das Opulente, das historische Porzellan, diese Handwerkskunst, die nicht aus den Augen verloren werden darf, auch die Malerei, die wir für Asien machen. Zweitens die Tischkultur, also die Linien Kurland, Urbino. Und drittens das zeitgeistige Porzellan, mit dem man junge Leute an Porzellan heranführt. Für die Küche, wie die Currywurstschale, und der Kaffee-To-Go-Becher.

Die Informationen darüber, was die jungen Leute wollen, ergeben sich aus Studien oder Marktbeobachtungen …?

JW Marktbeobachtungen. Es war zum Beispiel eine ganz interessante Entscheidung, den Kaffee-to-Go-Becher zu machen. Das erwuchs aus dem Thema Nachhaltigkeit, der Kick war dann eigentlich der, ihn mit einem Kurland-Relief zu versehen. Das finden die jungen Leute auch ganz spannend, wenn sie sehen, dass das kein Produkt ist, was gerade neu erfunden worden ist, sondern seit 1790 existiert. Welches Unternehmen hat schon ein Produkt, das seit über 220 Jahren Bestseller ist? Kurland ist nach wie vor das meistverkaufte Service bei Jung und Alt.

 

Was wäre aus Ihrer Sicht der ideale Fachhandel der nächsten Zeit? Man kommt mit den alten Rezepten nicht weiter, hat aber nach wie vor erklärungsbedürftige Produkte, wie kann man das wirtschaftlich organisieren?

Durch das Fachhändlersterben und dadurch, dass auch in Kaufhäusern der Markt mit Billigproduktion abgedeckt ist, braucht man eher so eine Art Concept Stores. Hier kauft man dann nicht nur Teller und Tassen, sondern auch Vasen, Skulpturen, alles, was mit Porzellan zu tun hat, und sich ins Dekorationskonzept einbringen läßt. Vor allem künstlerische Objekte sind ein Markt für die Zukunft, die industrielle Porzellanhersteller nicht abdecken können, nur Manufakturen.

Wir haben schon oft diskutiert, wie man es schafft, größere Manufaktur-Concept-Stores aufzubauen, die sich an den Wünschen gewisser Zielgruppen orientieren. Wie soll man es anstellen?

Die Erwartungshaltung der Kunden ist wichtig, natürlich. Wenn ich Möbel oder Kleinmöbel sehe, erwarte ich kein technisches Gerätdarunter.

Haben Sie für sich einmal überlegt, KPM zu einem Luxusunternehmen umzugestalten, zu einem Konzern mit Stakeholdern und dergleichen?

Nein. Ich habe die Manufaktur innerhalb einer Woche aus Berliner Patriotismus gekauft, ohne die Produktion gesehen zu haben. Es ging mir in erster Linie darum, dieses Kulturgut zu erhalten, weil so ein Unternehmen einfach nicht untergehen darf. Natürlich ist es auch ein Reiz gewesen, eine der letzten Luxusmarken, die weltweit existierten, zu kaufen, und die Herausforderung anzunehmen, daraus ein wirtschaftliches, intaktes Unternehmen zu machen. Die Absicht, einen Luxuskonzern daraus zu machen, hatte ich nie.

 

Dieses Interview ist ein Auszug aus dem Buch:
Handmade in Germany. Manufactory 4.0.
Herausgeber: Pascal Johanssen
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
Verlag: ARNOLDSCHE; Auflage: 1 (1. Juli 2019)
Sprache: Englisch, Deutsch
ISBN-10: 3897905418
ISBN-13: 978–3897905412
Website: https://www.kpm-berlin.com/