Fast dreiviertel der Akteure der Manufakturenstraße widmen sich in ihrer Arbeit der Frage, wie wir wohnen wollen. Ob Tischkultur, Möbel oder Wandverkleidungen – alles das sind Dinge, die Einfluss auf die privaten (oder öffentlichen) Räume haben.
Wie aber entwickelt sich das Wohnen weiter? Das „hybride Heim“ steht in den Startlöchern. Das Bad wird zum Wellnesstempel, das Wohnzimmer zur Online-Couch neben der Wohnküche. Alles wirkt aufgeräumt und chic, perfekt zu posten. Im Instagram-Zeitalter mutieren selbst Mikrowohnungen zu halböffentlichen Orten.
SZ-Autor Oliver Herwig beschäftigt sich seit Jahren mit dem Wandel von Wohnräumen und Wohnträumen. In diesem Buch, das 2022 bei Birkhäuser erschien, porträtiert er zugleich eine Gesellschaft im digitalen Wandel. Unsere vier Wände verschwimmen zu temporären Vielzweck-Arbeits-Spaß-und-Multimedia-Räumen, das Büro dringt ins Zuhause vor und die smarte Einkaufswelt ist mittels Alexa und Co nur ein Wort entfernt. Nichts will mehr passen. Doch alles muss Platz haben. Willkommen im hybriden Heim.
Diese federleichte Lektüre über die Tiefen des Wohnens zeigt analytisch und elegant unsere geheimen Wohnwünsche auf und thematisiert den Wandel des Wohnens. Herwig erläutert, wie die Wohnungsfrage damals wie heute die Bruchlinien einer Gesellschaft im Wandel abbildet. Wir leben weitläufiger und individueller, diverser und schneller denn je. Kein Wunder, dass vieles verschwimmt: Räume und Vorstellungen, Träume und Gewissheiten. Was lange getrennt war, kommt nun unvermittelt zusammen: Arbeit und Freizeit, Öffentliches und Privates.
Er schaut zurück auf die Zwanzigerjahre des letzten Jahrhunderts, in denen sich ebenso Vorstellungen vom Wohnen wandelten. Ludwig Mies van der Rohe sprach von den Auswirkungen des neuen Wohnens, die über die vier Wände hinaus gehen würden und das im Zusammenhang von sozialen oder auch materiellen Herausforderungen stand. Bauen und Wohnen waren Ausdruck und Katalysator der gesellschaftlichen Modernisierung.
Wenn das moderne Wohnen aus soziologischer Perspektive auf vier Säulen ruhte: sozial als Ort der Zweigenerationen-Familie, funktional als Ort von Freizeit und Reproduktion, sozialpsychologisch als Sphäre von Intimität und ökonomisch als käufliche oder vermietbare Ware, so steht jetzt lediglich noch der letzte Pfeiler – das Wohnen in der Immobilie. Alles andere ist im Fluss.
„Home Smart Home“ erzählt in drei Kapiteln vom Hybriden Wohnen, von Räumen und Träumen und vom Leben in der Nutzeroberfläche. 30 Illustrationen des Studios für Gestaltung, Köln, und ein angehängtes Glossar der „Techno-Sprache“ des Smart Homes runden das silberne Büchlein von Oliver Herwig ab.
Home Smart Home
Wie wir wohnen wollen
Oliver Herwig
Birkhäuser Verlag
ISBN: 978-3-035-62442-7
176 Seiten, Broschur, 30 farbige Abbildungen
Erschienen am 03. Mai 2022
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Titelfoto von: Meisterrat Berlin-Brandenburg e.V.
