Patrick Frei Maßschuhe

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Die Liebe zum Zirkus und zur Jonglage führten Patrick Frei zum Schuhmacherhandwerk. Während einer Reise durch Südamerika lernte er erste Grundlagen der Lederverarbeitung und begann, zurück in Deutschland, schließlich eine Ausbildung zum Maßschuhmacher. Seit 2009 betreibt er in Freiburg seine Werkstatt für feine Maßschuhe.

Für seine Zirkusauftritte und Straßenshows waren alte Lederkoffer ein wichtiges Accessoire. Sie hatten es ihm so angetan, dass er nach und nach eine Sammlung antiker Koffer aufbaute. Und auch während einer Reise durch Südamerika ließ ihn diese Faszination nicht los: er entdeckte in Cochabamba (Bolivien) einen Koffermacher, der auf traditionelle Art handgenähte Koffer herstellte und lernte dort die Grundlagen der Lederverarbeitung.

Zurück in Deutschland kam er in Berührung mit handgemachten Schuhen und verliebte sich sofort in den komplexen Prozess des Schuhmachens. Nach einer Ausbildung zum Maßschuhmacher machte er sich selbstständig und arbeitet seit 2009 in seiner eigenen Werkstatt.

In den ersten Jahren vertiefte Frei sein Wissen mithilfe antiquarischer Fachbücher und durch zahlreiche Aufenthalte bei renommierten Schuhmachern unter anderem in London, Wien und Paris. Er studierte fast vergessene Techniken, experimentierte viel, entwickelte eigene Methoden und bekam mit der Zeit den Ruf eines Perfektionisten, dem Prozess und Ergebnis wichtiger sind als Effizienz.

Nach Ehrungen und Preisen gewann er 2018 die Weltmeisterschaft der Maßschuhmacherei in London und sein Werk wurde weltweit ausgestellt. Eine Einladung nach Tokyo folgte, wo er seine Arbeit vorstellte. Dort lernte er einen jungen talentierten Schuhmacher kennen, den er zu sich einlud – er blieb vier Jahre lang in seiner Werkstatt. Ein Jahr davon ergänzte das Team zusätzlich ein französischer Schuhmacher. Heute arbeitet Patrick Frei wieder alleine und schafft individuelle Kreationen für seine Kunden. Seit zwei Jahren nimmt er keine neue Kundschaft mehr an. Die Nachbestellungen seiner Bestandskunden aus der ganzen Welt sind ausreichend um die Auftragsbücher zu füllen. Gelegentlich rückt eine Person von der Warteliste nach. Für diese stehen dann drei persönliche Termine mit Maßnehmen und Modellwahl, Probeschuhen und Auslieferung an bis nach ungefähr einem Jahr die fertigen Schuhe bereit sind die Füße herein zu lassen.

Auch nach all den Jahren bedeutet Tradition für Patrick Frei zwar die Errungenschaften und Erfindungen der Vergangenheit zu respektieren und dankbar dafür zu sein, aber auch sich auf deren Grundlage stetig weiter zu entwickeln und Neues zu schaffen. Denn auch die Klassiker der Schuhmode waren nicht immer da. Sie wurden von findigen und mutigen Menschen erdacht oder weiterentwickelt. Tradition bedeutet für ihn also auch Fortschritt und Entwicklung.

 

Foto Andreas Lörcher

 

Was bieten Sie Ihren Kunden? Was suchen Kunden (aus Ihrer Sicht) bei Ihnen?

In meiner Werkstatt entstehen individuelle Maßschuhe aus sehr hochwertigen und schönen Materialien.

Mit den Kunden entwickle ich gemeinsam ein oder mehrere Paare Schuhe, die nicht nur perfekt an die Füße passen sollen, sondern auch zum Wesen und Auftreten dieser Person. So kann ein Schuh nicht aus der Mode kommen und wird zum Begleiter, zu dem man eine Beziehung entwickelt und den man auch nach vielen Jahren noch sehr gern hat.

Viele Kunden suchen bei mir einen passenden und haltbaren Schuh, der in manchen Fällen auch eine gewisse Etikette erfüllen muss. In anderen Fällen geht es eher um den Ausdruck der Persönlichkeit gepaart mit meiner Handschrift. In jedem Fall ist die Funktion zwar wichtig aber darüber hinaus ist der Stil natürlich essenziell. Es geht viel um den Objektcharakter der Schuhe.

Auch der Herstellungsprozess und die inneren Werte der Schuhe spielen eine große Rolle. Die Leisten werden für jeden Fuß aus Holz geschnitzt und geraspelt. Der robuste Faden, der innerlich alles zusammenhält, wird aus Hanf- und Flachsfasern selbst gedreht und mit Pech und Bienenwachs haltbar gemacht. An Stelle von Nadeln werden Wildschweinborsten an den Enden angeflochten.

All diese Arbeitsschritte machen letztlich den Zauber der Schuhe aus. Auch wenn das am fertigen Schuh nicht mehr zu sehen ist, steckt das alles drin und bildet die Seele des Schuhs. Das strahlen die Schuhe auch aus. So sind für viele Kunden ihre Schuhe mehr als Funktionsgegenstände. Sie sind persönliche Schätze.

 

 

Was können Sie besser als andere? Oder bescheidener gefragt: Haben Sie bzw. Ihr Unternehmen eine Art Alleinstellungsmerkmal oder besondere Kenntnisse, die ggf. selten sind?

Die Anzahl der Schuhmacher:innen oder Manufakturen, die Haute Couture Maßschuhe auf höchsten Niveau machen ist weltweit relativ begrenzt. Viele davon sind alteingesessene Werkstätten, die mit strikter Arbeitsteilung arbeiten. Üblich ist, dass mehrere Handwerker:innen am Prozess beteiligt sind. Eine Person baut die Leisten, vermisst die Füße und bespricht das Modell. Die nächste Person macht die Schäfte. Es werden Schnittmuster ausgearbeitet, das Leder zugeschnitten, bearbeitet und vernäht. Die Schuhmacherin oder der Schuhmacher bekommt den Bausatz aus Leisten und Schäften und baut die Schuhe zusammen. Letztlich wird oft noch ein Schuhspanner auf Maß gemacht. Auch das ist häufig ein eigenes Gewerk.

In meinem Fall übernehme ich alle Arbeiten. Dadurch habe ich sowohl ein tiefes Verständnis für alle Teile des Prozesses, als auch die volle Kontrolle alles so auszuführen wie ich es möchte. Dabei habe ich den Kunden und seine Bedürfnisse im Kopf. Das wirkt sich sehr positiv auf das Ergebnis aus und ist selten zu finden.

Eine weitere Besonderheit ist, dass sich in meinem Repertoire sowohl alte Techniken finden, die fast niemand mehr beherrscht, als auch neue von mir entwickelte Techniken. Teilweise habe ich diese auch patentieren lassen.

In vielen Bereichen verfolge ich eigene Ansätze. Beispielsweise habe ich eine eigene Vermess- und Leistenbaumethode erarbeitet, die ich auch in Kursen weitergebe.

All das führt zu einem eigenen Stil, den viele meiner Kunden schätzen.

 

Photocredit Janik Gensheimer

 

Ist das, was Sie tun, typisch für Ihre Region? Prägt das regionale Umfeld Sie und Ihre Tätigkeiten?

Wenn man den Begriff Region sehr weit auslegt, kann man sagen, dass die Art wie ich Schuhe mache sehr typisch für die Region Europa ist. Eigentlich ist die Art Schuhe mit Leisten und die Rahmen- oder Zwiegenähte Machart im Herzen Europas geboren worden und hat sich über die letzten Jahrhunderte über die ganze Welt verbreitet. Fast alles Schuhwerk, das heute weltweit getragen wird basiert auf diesen Schuhen.

Im engeren Sinne ist es leider eine Tatsache, dass die traditionelle Schuhmacherei in Deutschland fast ausgestorben war und sich nur ganz langsam wieder erholt. Schön ist, dass sich im Schwarzwald noch einige gute Gerbereien gehalten haben, die pflanzlich gegerbte Leder machen. Zudem gibt es in Deutschland auch noch ein paar Leistenhersteller.

Mein regionales Umfeld prägt mich insofern, dass ich meine Werkstatt in Freiburg im Stühlinger Gewerbehof betreibe, in dem viele andere Handwerker:innen und Künstler:innen ihre Ateliers haben. So gibt es Inspiration, Austausch und ein Netz, wenn mal Rat oder Unterstützung nötig ist. Das ist bereichernd und gibt Sicherheit.

 

 

Wo gehen Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

Am liebsten gehe ich in den umliegenden Bergen laufen. Gerne mit der Familie, aber auf jeden Fall mit unserem Hund. Das entspannt garantiert.

Gut abschalten kann ich auch an der Kaffeemaschine. Seit fast zwanzig Jahren beschäftige ich mich mit italienischen Handhebelmaschinen. Mir macht alles daran Spaß. Die richtige Zubereitung verschiedener Bohnen zu erkunden finde ich genauso spannend, wie auch die Restauration von alten Maschinen. Mir ist selbst nicht klar, was mich daran so fasziniert und warum mein Kopf dabei so frei wird. Vermutlich ist es der kindliche Spieltrieb den diese dampfenden, fauchenden, mechanischen Geräte in mir entfachen.

 

Können Sie ein Restaurant aus Ihrem Umfeld besonders empfehlen?

In unserem Gewerbehof gibt es ein Indonesisches Restaurant, das sehr leckere Speisen bereitet. Das Makan ist definitiv einen Besuch wert.

 

Gibt es einen speziellen Einzelhandelsladen, den Sie empfehlen können, den es nur in Ihrem Ort (oder in der Region) gibt?

Von Beginn an teile ich mir die Werkstatt mit dem Sattler Mathias Steinhauser. Er stellt wunderbare handgenähte Aktentaschen, Koffer, Geldbeutel, Gürtel und andere Lederwaren her. Seine Arbeiten sind sehr ausgefeilt, auf diesem Niveau kaum zu finden und seine Homepage sollte man sich zu Gemüte führen.

Ebenfalls auf unserem Hof vertreten ist Frederic Andes.  Er fertigt Skier und Snowboards in Handarbeit an. Einmalig in unserer Region und stark verbunden mit dem Schwarzwald.

Ein weiteres Unikat in Freiburg ist Bernhard Reichenbach. Ein Schreiner, der Betten, Schränke, Tische, Stühle und vieles mehr aus handverlesenen heimischen Hölzern baut.

Haben Sie das Gefühl, dass die Politik mehr für Sie bzw. Ihre Branche tun könnte? Wenn ja, was?

In vielen unserer Nachbarländer gibt es Programme zur Unterstützung seltener, erhaltenswerterer oder vom Aussterben bedrohter Handwerke. Es gibt sowohl Programme für  den Nachwuchs, als auch Stipendien für etablierte Handwerker:innen, die gerne bestimmte Projekte oder Entwicklungen angehen möchten. Das lässt sich kaum vereinbaren mit den Gegebenheiten sehr viel Zeit in Aufträge zu investieren, um genug Geld zum Leben zu haben. Das ist vergleichbar mit Arbeitsstipendien für Künstler:innen. Das würde ich mir in Deutschland auch wünschen. Schließlich sind viele dieser Handwerke unser immaterielles Kulturerbe und stark mit unserer Kultur und Identität verbunden. Das enorme Wissen und Können sollte unter keinen Umständen verloren gehen. Gerade auch weil man nicht weiß wie wertvoll dieser Schatz in Zukunft noch sein kann. Es erscheint mir etwas fahrlässig riesige Summen in Digitalisierung und moderne Technologien zu stecken und diesen Bereich so zu vernachlässigen.

 

 

Wie ist die Ausbildungssituation in Ihrem Bereich? Finden Sie leicht Nachwuchs? Was vermissen Sie?

Die Nachfrage nach Ausbildung ist vorhanden. Inzwischen wurde die Ausbildungsverordnung auch wieder auf Maßschuhe ausgerichtet. Leider gibt es jedoch kaum Ausbildungsbetriebe.

Sich als kleiner Betrieb einen Auszubildenden zu leisten ist nicht ganz einfach. Gerade bei sehr feinem Handwerk, bei dem es auf Perfektion ankommt ist das eine Herausforderung. Bei vielen handwerklichen Ausbildungen rechnet der Betrieb damit, dass er im ersten Jahr in den Auszubildenden investiert, im zweiten Jahr trägt er sich und im dritten Jahr wirft er etwas Geld ab. Natürlich hat ein Betrieb dann auch eine Person ausgebildet, die genauso arbeitet wie das der Betrieb braucht. Auch für mich ist es schwierig eine Ausbildung zu leisten. Dadurch, dass der Herstellungsprozess so komplex ist und so viele Arbeitsschritte umfasst, dauert es sehr lange bis eine auszubildende Person an den echten Schuhen mitarbeiten kann. Das bedeutet, dass sich die gesamte Ausbildungsdauer für mich nicht rechnet. Letztlich müsste ich in Kauf nehmen Geld und viel Zeit (in der ich selbst nicht produktiv bin ) zu investieren. Viele Menschen, die sich für seltene Handwerke interessieren, sind wie ich selbst sehr neugierig und wissbegierig. Deshalb ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass jemand bald nach der Ausbildung weiterzieht um noch andere Betriebe kennenzulernen oder seine eigene Werkstatt aufzubauen. Mit einer Ausbildungsförderung würde es stark erleichtert werden, eine Ausbildung zu leisten und so auch den Fortbestand des Handwerks auf höherem Niveau zu sichern.

 

 

Welches Schulfach sollte es geben, das es noch nicht gibt?

Kommunikation und Konfliktmanagement. Die meisten Menschen haben Baustellen in diesen Bereichen und als Erwachsener lernt man nicht mehr so leicht die Grundlagen. Es wäre schön, wenn die nächste Generation schon früh lernen dürfte, sich mehr in andere hineinzuversetzen, die Perspektive zu wechseln und Kritik nicht zu schnell als persönlichen Angriff zu empfinden.

 

 

Wenn Sie für ein Jahr Bürgermeister/in Ihrer Stadt oder Landrat/Landrätin in Ihrem Landkreis wären: Was würden Sie einführen oder ändern?

Es wäre mir ein Anliegen jeden Menschen in meinem Landkreis regelmäßig andere Lebensrealitäten erleben zu lassen. Vielleicht könnte man einen Tag im Monat per Losverfahren Menschen zusammenbringen, die sich kennenlernen und entweder etwas gemeinsam unternehmen oder sich gegenseitig Dinge zeigen, die für sie wichtig sind. So würde eventuell das gegenseitige Verständnis verbessert und der Horizont erweitert.

 

Photocredit Andreas Lörcher

 

Wenn Geld oder andere Abhängigkeiten keine Rolle spielen würden: Wo würden Sie am Liebsten leben?

Zu meinem Glück lebe ich sehr gerne dort wo ich meine Wurzeln geschlagen habe. Das möchte ich momentan auch nicht verändern. Aber wenn Geld und andere Abhängigkeiten keine Rolle spielen würden, würde ich öfter und mehr Teile dieser Erde erkunden. Gerne auch zu Fuß, auf Fernwanderungen oder per Fahrrad.

 

Patrick Frei Maßschuhe
Ferdinand-Weiss-Str. 9–11
79106 Freiburg

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WEBSEITE: Freischuhe