Im Freiburger Süden fertigt Tobias Dingler Schmuck und Alltagsgegenstände. Inspiriert von der japanischen Schmiedetechnik Mokume Gane weisen auch einige seiner Objekte eine charakteristische Maßerung auf.
Kaligraphische Zeichnungen und fließende Muster zieren Dinglers Werke. Ihre Formen und Oberflächen, welche nie auf Hochglanz poliert werden, wirken fließend und weich. Unzählige Male wurde ihr Material geformt und im Feuer erhitzt. Durch die aufwendigen Schmiedearbeiten entstehen schlussendlich Gegenstände, die funktional und dekorativ zugleich sind. Seien es Schmuck, Schalen oder Besteck.
Was bieten Sie Ihren Kunden? Was suchen Kunden (aus Ihrer Sicht) bei Ihnen?
In meinem Atelier und in Ausstellungen biete ich vorwiegend Schmuck-Unikate aus der eigenen Werkstatt an. Ergänzt wird das Angebot durch kunstvolle Gefäße und Accessoires des Wohnbereichs. Entsteht ein Teil der Arbeiten im künstlerisch und handwerklichen Dialog meiner Inspirationen, gewinnen individuelle Anfertigungen für meine Kunden in jüngster Zeit mehr an Bedeutung. Für die Kunden ist es ebenso wie für mich ein spannendes Erlebnis, die Entwicklung einer Arbeit vom Beginn bis zur Vollendung mitzuerleben. Oft finden Interessenten den Weg zu mir über die Spezialisierung meines Angebotes. In der Metallverarbeitung bevorzuge ich die Technik des Schmiedens, dies prägt die Formensprache meiner Arbeiten. Es verleiht meinen Schmuckstücken eine Leichtigkeit und spannungsvolle Formen, die meine Besucher und Kunden schätzen.
Was können Sie besser als andere? Oder bescheidener gefragt: Haben Sie bzw. Ihr Unternehmen eine Art Alleinstellungsmerkmal oder besondere Kenntnisse, die ggf. selten sind?
Mein Spezialgebiet ist die japanische Technik Mokume Gane. Diese Technik vereint für mich in perfekter Weise die Kunst der Messerschmiede mit der Goldschmiedekunst. Die ersten Erfahrungen sammelte ich im Design-Studium, stellte aber fest, dass die traditionell verwendeten Kupferlegierungen nur bedingt für Schmuck geeignet sind. Sehr früh entwickelte ich daher neue Edelmetallschichtungen. Zum Beispiel eine neue Variante des Mokume Gane in einem unverwechselbaren kalligrafischen Stil in der Kombination von Silber und dem warmen Farbton von 900er Gold. Einen Schritt zurück zu der Mehrschichtigkeit der originalen Technik gehe ich mit der Gestaltung meiner Mokume-Blüten. Das konzentrische Muster der Scheiben entsteht in einem neu entwickelten Verfahren der 300 Jahre alten japanischen Technik. Die Metallschichten werden ausschließlich durch Torsion und Schmieden bewegt. Das Stück ändert mehrfach vollständig seine Form, das Material wird bis an die Grenze belastet. Umso überraschender sind im Ergebnis die fließenden Formen, die eher das Bild von zarten Blüten oder bewegtem Wasser vermitteln.
Ob ich dies nun besser als andere kann, ist für mich nicht entscheidend, bedeutend ist für mich hingegen, meine Fähigkeiten im Austausch mit Fachkollegen zu verfeinern und das Wissen über die Technik zu pflegen und zu erhalten.
Ist das, was Sie tun, typisch für Ihre Region? Prägt das regionale Umfeld Sie und Ihre Tätigkeiten?
Da ich mich vorwiegend mit einer japanischen Technik beschäftige, lässt sich meine Arbeit nicht unbedingt als typisch für die Region verorten. Andererseits ist das Goldschmiedehandwerk in Baden-Württemberg traditionell sehr gut verankert. In Freiburg existieren viele Ateliers und Werkstätten, es ist ein sehr kreatives und inspirierendes Umfeld, in welchem man sich hervorragend interdisziplinär vernetzen kann.
Gibt es etwas, für das Ihre Region bzw. Ihr Lebensort besonders bekannt ist?
Die schon fast heilige Dreiheit Schwarzwald, Bollenhut, und Kuckucksuhr täuscht etwas darüber hinweg, dass die Region Freibug eine große Zahl an besonderen Gewerken entwickelt hat. Oft begünstigt durch Wasserkraft oder besondere Rohstoffe, exemplarisch genannt seien hier Löffelschmiede, Hammerschmiede, Seiler und Edelsteinschleifer. Sind die ursprünglichen Gewerke zum Teil ausgestorben, legten sie dennoch den Grundstein für heute hochspezialisierte Betriebe. Doch auch die landwirtschaftlichen Produkte bieten dank der verschiedenen Böden der Region eine herausragende Vielfalt, die sich am besten auf dem Freiburger Wochenmarkt rund um das Münster genießen lässt.
Wo gehen Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?
Nur wenige Schritte entfernt von unsrer Haustüre erhebt sich der Schönberg, der fast zu jeder Jahreszeit zu entspannten Spaziergängen mit Blick in das Rheintal einlädt. Wenn der Blick sich etwas weiter über die Kante des Werktisches erheben darf, wandern ich gerne mit meiner Familie in den Bergen der Umgebung.
Erholung von der oft kleinteiligen Arbeit finde ich in der Musik, dem Besuch von Konzerten, dem Schreiben eigener Stücke für mein Duo mit einem Fagottisten oder einfach am späten Abend entspannt den Tag mit Gitarre spielen ausklingen lassen.
Können Sie ein Restaurant aus Ihrem Umfeld besonders empfehlen?
Da wir leidenschaftlich gerne selbst kochen, kenne ich mich in der hervorragend vielfältig aufgestellten gastronomischen Welt von Freiburg und Umgebung zu wenig aus. So halte ich es beim Essen gehen mit dem Grundsatz: Es macht Freude, etwas Neues auszuprobieren. Ein kleiner Tipp sei dennoch gewagt: Wer in der Innenstadt von Freiburg eine kleine Auszeit sucht, findet im KOLBEN KAFFEE am Martinstor köstlichen Kaffee und ausgezeichnete Patisserie in einer unvergleichlichen Atmosphäre.
Gibt es einen speziellen Einzelhandelsladen, den Sie empfehlen können, den es nur in Ihrem Ort (oder in der Region) gibt?
Mitten in der Freiburger Innenstadt befindet sich das Geschäft Liutpolt Bauer, Eisenwaren und Gartengeräte. Von einzelnen Schrauben über nützliches für den Haushalt bis zu erlesenen Werkzeugen bietet das Traditionsgeschäft auf kleinstem Raum eine Auswahl, für die man sonst weite Wege auf sich nehmen muss.
Haben Sie das Gefühl, dass die Politik mehr für Sie bzw. Ihre Branche tun könnte? Wenn ja, was?
In dem Gestaltenden Handwerk wie in meiner Arbeit fließen die Grenzen zwischen Kunst, Design und Handwerk. Dies ist mit der in Deutschland sehr ausgeprägten Einteilung in Sparten und Ressorts oft nicht zu vereinen. Man sitzt sozusagen zwischen den Stühlen. Die Kulturförderung sieht sich nicht verantwortlich, da es keine Freie oder Bildende Kunst ist und für die Wirtschaftsförderung sind die Einzelbetriebe oft schlicht zu klein. Die Anerkennung einzelner Gewerke als immaterielles Kulturerbe lässt hoffen, dass sich die Kulturförderung wie in anderen Ländern unserem Bereich öffnet.
Wie ist die Ausbildungssituation in Ihrem Bereich? Finden Sie leicht Nachwuchs? Was vermissen Sie?
Da ich von meinem Design-Studium eigentlich Seiteneinsteiger im Handwerk bin, habe ich nie ausgebildet, gebe aber eigene Fachkurse vorwiegend zum Thema Mokume Gane. Somit habe ich einen anderen Blick auf die Ausbildungssituation, die im Schmuckbereich von den unterschiedlichen Wegen immer noch sehr vielfältig ist. Junge Goldschmied:innen erlebe ich in meinen Kursen meist mit einem erfreulich breit angelegten Wissen und Können. Auf der anderen Seite habe ich etwas erstaunt zur Kenntnis genommen, dass für das Designstudium zum Teil nun Vorkurse angeboten werden, die den Bewerbern grundsätzliche Material- und Verarbeitungskenntnisse vermitteln sollen. Hier scheint sich in der höheren Schulbildung eine Lücke aufzutun.
Welches Schulfach sollte es geben, das es noch nicht gibt?
In den allgemeinbildenden Schulen gibt es einerseits vermutlich eher zu viele Schulfächer und andererseits sicher zu wenig Handwerkliches und Künstlerisches. Ich sehe das Problem daher mehr in der fehlenden Vernetzung von Wissen und Fähigkeiten und dem Bezug zum täglichen Leben. Ich bewundere sehr die mutigen und klugen Ansätze wie die Alemannenschule Wutöschingen, die junge Menschen in ihrer Verantwortung für sich und andere stärken.
Wenn Sie für ein Jahr Bürgermeister/in Ihrer Stadt oder Landrat/Landrätin in Ihrem Landkreis wären: Was würden Sie einführen oder ändern?
Zunächst möchte ich voranstellen, dass ich mit meiner idealistischen Arbeitsweise mit dieser Aufgabe wohl überfordert wäre. Falls es dann doch passieren sollte, würde ich einführen, dass es für alle freischaffenden Künstler:innen ein bedingungsloses Grundeinkommen gibt.
Wenn Geld oder andere Abhängigkeiten keine Rolle spielen würden: Wo würden Sie am Liebsten leben?
An dem Ort, an dem ich zur Zeit lebe. Es gibt immer irgendetwas zu vermissen oder zu verändern, aber darum ist es ja auch eine gute Empfehlung, jedes Jahr an einen Ort zu gehen, den man noch nicht kennt.
Tobias Dingler
Schmuck & Gestaltung
Obere Schneeburgstraße 25
79111 Freiburg