PendelMarionetten – das sind Detlef Schmelz und Marlene Gmelin. Beide gehören zu den bekanntesten Marionettenbauern Deutschlands. Das Künstlerpaar baut ausdrucksstarke Marionetten in einem alten Bauernhaus in Hohenlohe. Seit Jahren verfolgen sie ein Spezial-Projekt – eine Art Gesamtkunstwerk aus Marionettenspiel, politischem Engagement, Film und Buch: Das Klima-Projekt „Ein paar Grad plus“.
„Ein paar Grad plus“ basiert auf dem gleichnamigen Marionettentheaterstück mit 15 Mitspieler:innen. Es behandelt in einer Art Fabel die hochaktuelle Thematik der Klimaerwärmung und ist sozialkritisch, satirisch und politisch. Es wendet sich an alle Altersgruppen.
Das Theaterstück wurde verfilmt. Ausschnitte daraus liefen bereits auf der internationalen Klimakonferenz in Glasgow 2021. Parallel dazu entstand in der Edition Pendel ein umfangreicher Bildband darüber.
Herr Schmelz, unzählige Marionetten, ein Buch, aufwändige Set-Designs, ein Film: Wer hat da alles mitgewirkt?
Eigentlich zunächst nur meine Frau und ich. Wir haben über 80 Marionetten hergestellt und natürlich die aufwändigen Bühnenbilder.
Aber zwei Menschen können kaum so ein großes Werk auf die Beine stellen.
Nein, das ist natürlich ein Gemeinschaftsprojekt. Aus unseren Seminaren für Marionettenspiel entstanden gute Amateurbühnen im gesamten deutschsprachigen Raum. Um diesen ein Forum zu geben, gibt es seit 2008 ein Festival, alle zwei Jahre. Höhepunkt jeden Festivals war von Beginn an ein großes Gemeinschaftsstück, an dem jede und jeder nach Vermögen teilnehmen kann. 2012 entstand dann dieses Gemeinschaftsstück „Ein paar Grad plus“ mit 15 Beteiligten. Es wurde nur einmal aufgeführt, war aber so vielversprechend, dass die Dokumentarfilmerin Lilo Mangelsdorff plante, einen Spielfilm daraus zu machen. Mit professioneller Hilfe wurde ein Drehbuch erstellt. Dann scheiterte das Projekt leider bei der Filmförderung.
Wenn man sich nun Ihren Bildband anschaut, fällt die unglaublich große Anzahl der Marionetten, ihre Gestaltung und die aufwändigen Bühnenbilder auf. Ist das alles aus Ihrer Hand?
Ja, es sind über 80 Marionetten – allesamt nur von uns beiden gefertigt. Dabei gibt es zwischen uns eine Art Arbeitsteilung: Marlene ist weitgehend für die Gestaltung der Marionetten verantwortlich, Detlef dafür, dass sie sich bewegen. Marlene war zuständig für das Bühnenbild und die Auswahl der Musik, Detlef hat das Drehbuch entwickelt und war verantwortlich für Licht und die Bühnentechnik. Die Gesamtregie lag bei Marlene.
Was gab denn den Anstoß zu diesem Projekt?
Der Umgang mit unserem Planeten beschäftigt uns schon lange; so entstand die Idee, darüber ein Theaterstück zu machen. Als Marionettentheater ist unsere Spezialität das pantomimische Spiel, was bedeutet, dass der Zuschauer stark gefordert ist und, ausgelöst vom Geschehen auf der Bühne, eine eigene Geschichte in seinem Kopf entstehen lässt, von der er oft emotional stark berührt ist.
Der Klimawandel ist in seinen Auswirkungen ja nur schwer vorstellbar. Weil wir alle Klimasünder sind, fühlen wir uns auch schnell moralisch unter Druck gesetzt. Die Puppe, das Puppenspiel aber klagt nicht an, sondern öffnet zunächst die Herzen. Bei unserer Arbeit an „Ein paar Grad plus“ wurde uns mehr und mehr bewusst, dass wir mit unserer verhaltenen Spielweise berühren und nachdenklich stimmen können – also mit Poesie und Fantasie einen gesellschaftspolitischen Beitrag in Bezug auf den Klimawandel leisten können.
Und an wen richtet sich das Projekt?
Wir denken, dass Buch, Film und Theaterstück (beide dauern 75 Minuten) für alle Altersgruppen geeignet sind. Wir wenden uns an Jugendliche und Erwachsene, sind aber überzeugt, dass auch Grundschulkinder die Problematik verstehen. Kinder nehmen eine Geschichte anders wahr als Erwachsene, verstehen sie mehr über die Botschaft der Bilder. Mit Buch und Film aber können wir viel mehr Menschen erreichen, als es im Theater möglich ist.
Welche Reaktionen haben Sie bisher bekommen?
Film und Buch sind ja erst seit kurzem auf dem Markt. Schon jetzt erreichen uns viele Meldungen, dass sowohl das Buch als auch der Film berühren und nachdenklich machen. Gerade Umweltinitiativen sind begeistert von dem Konzept, mit Poesie und Fantasie gesellschaftspolitisch etwas zu bewirken.
Wie soll es denn jetzt weitergehen?
Wir haben viel vor. Während der Film dystopisch endet, sind im Buch Lösungswege angedacht. Jedem Buch liegt zudem ein umfangreicher „Faktencheck“ bei, sodass man Film, Buch und Faktencheck als pädagogisches Material benutzen kann.
Es ist so vieles denkbar, wenn man sich der Kraft der Puppe besinnt: Aus dem umfangreichen Filmmaterial können kleine Kurzfilme zu einzelnen Umweltthemen entstehen, Clips für U-Bahnen, Filme in der Entwicklungshilfe, für Schulen, Kindergärten. Das „Rezept“ wäre immer das gleiche: emotional zu berühren, um nachdenklich zu stimmen – um dann eventuell auch die Faktenlage anzusprechen.
Sind denn neben Buch und Film reale Theateraufführungen geplant?
Das wohl nicht, oder nur zu sehr besonderen Gelegenheiten. Das Ganze war ja in erster Linie ein riesiges pädagogisches Projekt. Es ist der Traum jedes Theaterschaffenden, einmal aus dem Vollen zu schöpfen und Bilder zu verwirklichen, die nur mit vielen Mitwirkenden möglich sind. In unserem Fall kommen diese aus ganz Deutschland und der Schweiz. Sie alle zu einer einzelnen Vorführung wieder zusammen zu bekommen, dürfte schwierig sein. Darum sind wir ja so froh, dass es Buch und Film gibt. Durchaus vorstellbar aber ist, dass wir zu einzelnen Themen ausgesuchte Szenen aus dem Gesamtstück aufführen.
Sie engagieren sich nun mit Ihren Ideen und Mitteln als Marionettenkünstler. Haben Sie das Gefühl, das etwas zurückkommt?
Wir sehen schon jetzt, dass vielleicht etwas Großes entsteht, von dem wir noch gar nicht wissen, wie es konkret aussehen wird. Es gibt ja – und davon war bisher noch gar nicht die Rede – noch einen zweiten Film: den Dokumentarfilm „Origin – von Menschen und Marionetten“. Er begleitet die Entstehung des Theaterstücks bis hin zur Uraufführung, wurde von der Deutschen Film-und Medienbewertung mit dem „Prädikat Wertvoll“ ausgezeichnet und hat gerade auf einem kleineren Festival in Indien den Preis für den besten Nachhaltigkeitsfilm bekommen. Er steht aber erst zur Verfügung, wenn alle einschlägigen Film-Festivals durchlaufen sind. Der Film „Ein paar Grad plus“ dagegen, der das 75-minütige Theaterstück in Gänze abbildet, ist schon jetzt über uns erhältlich und optional dem Buch beigelegt, auf Wunsch mit englischen Untertiteln.
~°C+ Ein paar grad Plus
Marlene Gmelin und Detlef Schmelz
ISBN/EAN: 978-3-9821705-8-9
Sprache: Deutsch
Umfang: 108 S.
Format (T/L/B): 30.4 x 21.6 x 10.5 cm
Einband: gebunden
Erhältlich über den Buchhandel oder (optional mit Film) hier.
Zur Webseite von Pendelmarionetten
Foto Credits: Pendelmarionetten