Unter dem Namen burggrafburggraf entwerfen und fertigen die Zwillingsschwestern Elena und Nicola Burggraf seit 2017 puristische Taschen, Rucksäcke und Accessoires aus pflanzenbasierten Materialien. Ihre Stücke kreieren sie mittlerweile an zwei Standorten – in Bad Liebenzell und Runkel.
Minimalistisches Design, innovative Materialien und die persönliche Fertigung – in den Ateliers im Nord-Schwarzwald und in Hessen entstehen die Produkte der beiden Schwestern. Dabei arbeiten sie nicht mit klassischem Leder, sondern setzen auf das Potenzial von innovativen, pflanzlichen Materialien als Alternative zu tierischem Leder. Gefertigt wird in kleinen Auflagen und meist erst auf Bestellung – um nur zu fertigen, was auch wirklich nachgefragt wird. Vom Entwurf bis zum letzten Stich verbindet Elena und Nicola Burggraf eine tiefe Begeisterung für Materialien und zum Handwerk.
Beide studierten Produktgestaltung an der Hochschule für Gestaltung Offenbach am Main und erhielten 2009 ihr Diplom. Danach folgten Jobs in verschiedenen Design-Agenturen in Köln und Stuttgart – doch die Idee gemeinsam zu arbeiten blieb stets in ihren Hinterköpfen. 2017 gründeten sie schließlich burggrafburggraf, zuerst noch mit Sitz in Stuttgart. Mittlerweile arbeiten sie an zwei Standorten – die sie auch ihr Zuhause nennen: Nicola in Bad Liebenzell (Nordschwarzwald) und Elena in Runkel (Lahn, Hessen).
Was bieten Sie Ihren Kunden? Was suchen Kunden (aus Ihrer Sicht) bei Ihnen?
Unsere Entwürfe sind elegant, unaufdringlich und dennoch sehr stark, weil wir eine eigenständige Formensprache entwickelt haben, die einen hohen Wiedererkennungswert besitzt. Auf übertriebene Elemente wie große, goldene Logos oder Dekor verzichten wir bewusst. Stattdessen zelebrieren wir die Reduktion auf das Wesentliche. Unser Logo ist daher häufig nicht unmittelbar sichtbar.
Auch die Nachfrage nach Alternativen zu Leder ist in den letzten Jahren deutlich angestiegen. Seit unserer Gründung arbeiten wir mit Materialien, die Leder ersetzen können und selbst ganz eigene Qualitäten mitbringen. Vegan, nachhaltiger, aber modern – ohne “Öko-Charme”.
Unsere Kundinnen und Kunden erhalten bei uns gut gestaltete und sorgfältig gefertigte Stücke fernab von schnelllebigen Trends und Massenproduktion. Dazu kommt der persönliche Kontakt: Wenn eine Kundin ein Anliegen hat, eine individuelle Trägerlänge zum Beispiel, haben wir immer ein offenes Ohr.
Auch wenn wir keinen offenen Showroom haben mit regelmäßigem Kundenverkehr, so machen wir doch auf Anfrage persönliche Atelier-Termine aus. Auch bei Bestellungen im Onlineshop ist uns die „persönliche Note“ wichtig. Jede Bestellung erhält eine handschriftliche Nachricht. Wir wollen unseren Kundinnen und Kunden das gute Gefühl geben, etwas wirklich Einzigartiges erstanden zu haben. Wenn man dann von einer Kundin eine positive Rückmeldung zu einer erstandenen Tasche erhält, einmal sogar in Form eines handschriftlichen Briefes, dann ist das eine wunderschöne Bestätigung unserer Arbeit.
Was können Sie besser als andere? Oder bescheidener gefragt: Haben Sie bzw. Ihr Unternehmen eine Art Alleinstellungsmerkmal oder besondere Kenntnisse, die ggf. selten sind?
Wir hinterfragen traditionelle Taschenformen und schauen mit dem offenen Blick der Produktgestalterin auf das Thema. Durch diese Perspektive haben wir unsere eigenständige und unverwechselbare Formensprache entwickelt. Ein wiederkehrendes Element in der Kollektion ist die Taschenklappe mit dem Langloch-förmigen Ausschnitt und der Edelstahlsteg, der in einer Kellerfalte eingebettet ist. Dieses funktionale Element wird in den Entwürfen unterschiedlich interpretiert, beispielsweise als Verschluss oder Ankerpunkt für eine Trägeraufhängung.
Unser Fokus liegt auf der Königsdisziplin im Design: Der gelungenen Gestaltung von Einfachheit. Denn minimalistisches Design bedeutet ja nicht, dass der Gestaltungsprozess einfacher war, weil weniger da ist. Weniger Details bedeuten, dass die vorhandenen Elemente umso mehr ins Auge fallen und absolut stimmig sitzen müssen. Sei es die Position einer Trägeraufhängung oder wo genau eine Naht endet. Die Details sind entscheidend und hier geht es oft um Millimeter.
Zudem arbeiten wir mit besonderen Materialinnovationen, sogenannten „next generation“ Materialien. Das sind neue, meist pflanzenbasierte Materialien, die aufgrund ihrer Herstellung oder ihrer verwendeten Rohstoffe wesentlich geringere Umweltauswirkungen haben als klassisches Leder, diesem aber in Funktion und Haptik ebenbürtig sind. In unserer aktuellen Kollektion arbeiten wir mit portugiesischem Kork und dem 100% plastikfreien MIRUM®.
Unser Korktextil besteht aus einer Korkschicht auf einem textilen Trägermaterial. Es ist besonders leicht, wasserabweisend und hat eine natürliche, lebendige Struktur, die jede Tasche zum Unikat macht. Kork ist die Borke der Korkeiche – ein nachwachsender Rohstoff, der alle neun Jahre geerntet werden kann, ohne dem Baum zu schaden. Die portugiesischen Korkeichenwälder (Montados) sind wertvolle Biotope und Heimat vieler Pflanzen- und Tierarten. Durch die Nutzung von Kork leisten wir einen Beitrag zum Schutz dieser einzigartigen Ökosysteme.
Mit MIRUM® bieten wir zusätzlich eine 100% plastikfreie Lederalternative, entwickelt von Natural Fiber Welding aus den USA. Das Material besteht ausschließlich aus natürlichen Inhaltsstoffen wie verantwortungsvoll gewonnenem Naturkautschuk, pflanzlichen Ölen, natürlichen Pigmenten und Mineralien – und beim Herstellungsprozess wird kein Wasser benötigt. MIRUM® ist pflegeleicht, langlebig und sieht echtem Leder zum Verwechseln ähnlich – mit einem deutlich geringeren ökologischen Fußabdruck.
Wir verfolgen die Entwicklungen im Bereich neuartiger Materialien kontinuierlich und werden unser Repertoire um weitere spannende und zukunftsweisende Werkstoffe erweitern.
Ist das, was Sie tun, typisch für Ihre Region? Prägt das regionale Umfeld Sie und Ihre Tätigkeiten?
Nein, unsere Arbeit ist nicht typisch für unsere Region. Das, was wir tun, ist also komplett unabhängig vom Standort. Wenn man den Kreis weiterzieht, gibt es mit der Stadt Offenbach am Main, in der wir unser Studium absolviert haben, einen einst bedeutenden Standort der klassischen Lederwarenherstellung. Generell kann man sagen, dass das ländliche Umfeld und damit das naturnahe Wohnen und Arbeiten für wenig Ablenkung sorgt und den nötigen Fokus stärkt.
Gibt es etwas, für das Ihre Region bzw. Ihr Lebensort besonders bekannt ist?
ELENA (Runkel bei Limburg an der Lahn): Besonders beliebt ist unsere Region bei Wassersportlern. Die Lahn, die etwa 100m vor meinem Atelier vorbei fließt, wird in den Sommermonaten von vielen Kanuten befahren. „Unser“ Abschnitt der Lahn, die romantische Mittellahn, gilt dabei als besonders schön. Die Strecke zwischen Weilburg / Limburg / Balduinstein ist auch bei Radreisenden sehr beliebt. In der Limburger Altstadt bietet sich eine Besichtigung der schönen Fachwerkhäuser an. Außerdem ist unsere Region für ihren Lahnmarmor bekannt geworden, der etwa 400 Jahre lang abgebaut wurde und auch heute noch in zahlreichen berühmten Gebäuden, wie zum Beispiel dem Empire State Building in New York, bewundert werden kann. Im nahegelegenen Villmar kann man den „Unica-Bruch“ besichtigen, eine geschliffene Marmorwand, die 2005 mit dem Prädikat „Nationales Geotop“ ausgezeichnet wurde und damit zu den bedeutenden 77 Geotopen in Deutschland zählt.
NICOLA (Bad Liebenzell): Meine Wahlheimat Bad Liebenzell ist ein anerkannter Kurort im Nordschwarzwald und bekannt für seine Thermalquellen. Die Stadt liegt malerisch im Nagoldtal und bietet viele Möglichkeiten zum Wandern, Radfahren und Naturerleben. Von der mittelalterlichen Burg Liebenzell hat man einen großartigen Blick über das Tal. Mein Atelier befindet sich in Unterlengenhardt, einem der Höhenstadtteile von Bad Liebenzell. Unterlengenhardt hat knapp 800 Einwohner und liegt auf einem Höhenrücken oberhalb der Burg. Von hier aus überblickt man das Nagoldtal, und meist befindet man sich oberhalb des Nebels, der sich im Tal sammelt.
Wo gehen Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?
ELENA: Um abzuschalten, setze ich mich aufs Rad oder wandele durch meinen Garten. Mich auf dem Rad auspowern oder in der Gartenerde wühlen, diese aktiven Tätigkeiten fernab von Schreibtisch oder digitalen Medien machen mich glücklich und bringen mich in mein Gleichgewicht.
NICOLA: Um zu entspannen, gehe ich in meinen kleinen Garten oder den Wald. Von meinem Atelier aus, ist man in nur wenigen Schritten im Wald. Wenn man die großen Waldwege verlässt und auf den kleinen vermoosten Pfaden läuft, vergisst man leicht alles um sich herum.
Können Sie ein Restaurant aus Ihrem Umfeld besonders empfehlen?
ELENA: Für kulinarischen Hochgenuss: Restaurant 360° in Limburg. Für Kaffee und leckeren Kuchen unterwegs Café Blütezeit, direkt am Radweg Richtung Niederbrechen.
NICOLA: Das Restaurant Hirsch Genusshandwerk in Bad Liebenzell-Monakam. Eine herzliche Atmosphäre und eine handwerkliche und moderne Küche, die Produkte aus der Region und dem eigenen Anbau verwendet.
Gibt es einen speziellen Einzelhandelsladen, den Sie empfehlen können, den es nur in Ihrem Ort (oder in der Region) gibt?
ELENA: Ein wunderbar inspirierender Ort ist das Atelier der Illustratorin und Grafikdesignerin Liv Matthiesen, direkt in der Limburger Altstadt.
Nicht direkt in meinem Ort, aber ganz nah: Die Marktgärtnerei „Gut Bunt“ in Hofen. Auf einer Anhöhe gelegen, kauft man hier direkt vom Feld frisches, saisonales Gemüse.
NICOLA: Der Ulmenhof in Unterlengenhardt: Ein Demeter-Bauernhof, der biologisch-dynamische Landwirtschaft mit einem kleinem Hofladen betreibt. In der „Kulturremise“ auf dem Hof finden außerdem mehrmals im Jahr kulturelle Veranstaltungen statt.
Und das „studio panama“ in Pforzheim – ein wunderschöner Laden für Schmuck und Objekte der Alltagskultur. Eine feine Auswahl unserer Taschen findet man dort auch.
Wie ist die Ausbildungssituation in Ihrem Bereich? Finden Sie leicht Nachwuchs? Was vermissen Sie?
Da wir ein reines Duo sind und keine Mitarbeitenden beschäftigen, stellt sich die Nachwuchsproblematik bei uns nicht. Auch befinden wir uns mit unserer Tätigkeit an der Schnittstelle zwischen Design und Handwerk. Ein klassisches Designstudium befähigt Studierende Dinge zu gestalten, die dann in Serie von jemand anderem produziert werden. Wir sind jedoch Gestalter und Produzierende zugleich und somit schöpferisch und ausführend tätig.
Unser Studium der Produktgestaltung an der Hochschule für Gestaltung in Offenbach am Main war breit aufgestellt, dies empfinden wir als Vorteil. Dennoch kommt das Erlangen von unternehmerischen Fähigkeiten während des Studiums zu kurz, weshalb wir die Erfahrungen, die wir vor unserer Selbstständigkeit in klassischen Designagenturen gesammelt haben, als äußerst wichtig betrachten. Wir würden auch dem Nachwuchs empfehlen, wertvolle Erfahrungen in der Industrie und/oder in Agenturen zu sammeln, bevor man sich in eine Selbstständigkeit stürzt.
Welches Schulfach sollte es geben, das es noch nicht gibt?
– Klimaschutz
–Umgang mit Medien und KI
– Finanzielle Bildung
Wenn Sie für ein Jahr Bürgermeister/in Ihrer Stadt oder Landrat/Landrätin in Ihrem Landkreis wären: Was würden Sie einführen oder ändern?
ELENA: Als Bürgermeisterin würde ich den Ausbau der Radweginfrastruktur fördern und mich für alternative Landnutzungssysteme einsetzen. In unserer Region gibt es viel Landwirtschaft, auch einige Ackerflächen in Hanglage, die bei den letzten Starkregenereignissen betroffen waren. Ich würde Agroforst-Systeme fördern, bei denen durch die gezielte Kombination von Feldern und Gehölzen eine vielfältigere Landschaft entsteht, die zusätzlichen Lebensraum für Tiere schafft und Bodenerosion entgegenwirken kann.
NICOLA: Ich würde mich für ein umfangreicheres Betreuungsangebot in Kindergärten einsetzen, das der Lebensrealität berufstätiger Eltern gerecht wird. Dazu gehört auch, die personelle Ausstattung so zu verbessern, dass erweiterte Öffnungszeiten dauerhaft möglich sind.
Wenn Geld oder andere Abhängigkeiten keine Rolle spielen würden: Wo würden Sie am liebsten leben?
ELENA (Runkel): Nach Stationen in Frankfurt, Bonn und Siegburg lebe ich mittlerweile wieder in meinem Heimatort Runkel. Durch den Abstand, den ich hatte, nehme ich die Region bewusster wahr und sehe, wie schön das Lahntal doch ist. Ich liebe die Natur und bin kein Stadtmensch. Wenn ich es mir aussuchen könnte, würde ich also genau hier bleiben und mir einzig noch einen großen, schönen Berg herbeizaubern, den ich mit meinem Rad erklimmen kann. :)
NICOLA (Bad Liebenzell): Auch ich kann, ohne zu zögern sagen: Genau hier! Nach einigen Jahren in Frankfurt und Stuttgart ist das Leben und Arbeiten im Grünen etwas ganz besonderes.
Burggraf Burggraf-Reusch GbR
Hopfweg 3
75378 Bad Liebenzell