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Mira Bergmüller

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Zwischen Herkunft und Zukunft der Holzbildhauerei : Mira Bergmüller verschafft dem traditionellen Handwerk einen Platz in der heutigen Zeit.

Wozu sich stunden-, tage-, wochenlang mit einem Werk auseinandersetzen? Wen ansprechen und erreichen mit der Holzbildhauerei in der heutigen Zeit? Wo liegt der Sinn der eigenen Arbeit?

Es sind solche Fragen, mit denen sich Mira Bergmüller oft beschäftigt. Die Antworten sind allerdings immer wieder andere. Und sie eröffnen der gebürtigen Friedrichshafenerin (Bodensee) regelmäßig neue Perspektiven, Ausdrucksmittel und Formate – wobei sie unübersehbar in der Holzbildhauerei verortet bleibt.

So begegnet einem schon im Atelier von Mira Bergmüller ein buntes Potpourri an Werken: Jesus Christus am Kreuz, aber auch bunt koloriert und fast seriell gefertigt als Teil eines künstlerischen Werkes (MOBILE). Direkt daneben aus dem Stamm herausgearbeitete Madonnen, Engel und Krippen. Im Fenster sauber aufgereiht nebeneinander Figurenstelen aus Lindenholz, die auf das Werk CIVITAS mit 34 Stelen zurückgehen, mittlerweile aber die ganze Vielfalt gesellschaftlicher Typen abdecken: die Dame mit erhobenem Kopf im Ballkleid neben dem Teenager mit Schlaghose, der gebeugte alte Herr am Stock neben dem virilen jungen Mann mit freiem Oberkörper. An der Rückwand Reliefs – entstanden nach Fotovorlagen, Zeitungsausschnitten und Kundenwünschen, eigener Inspiration.

Dazwischen bleibt Platz für Entdeckungen, die eine Idee von der Experimentierfreudigkeit der Künstlerin geben: eine Figurenstele, die Mira Bergmüller mit blauer Alufolie ergänzt, eine Madonna, über der sich ein Heiligenschein aus billig produzierten, rosa Kunststoffkindern schließt, eine von Mira Bergmüllers 13-jähriger Tochter bunt bemalte Engelstele, Integration von fotografischen Selbstporträts in bildhauerische Werke. Hier nicht vertreten sind ihre filmischen und räumlichen Installationen, die in Ausstellungen und Museen zu sehen sind – ebenso wenig wie das GEWAND mit seinen gotischen Falten, das lediglich eine äußere Hülle einer Heiligenfigur zeigt und so die Frage nach dem Inhalt aufwirft.

„Mira Bergmüller ist eine Suchende: Sie sucht auf zwei Ebenen und an zwei Fronten gleichermaßen. Einmal ist ihr Anliegen, überkommene, jahrhundertealte christliche Bildtraditionen in die Gegenwart zu integrieren und sie dabei – durchaus behutsam – fortzuentwickeln, die christliche Ikonografie, die seit dem 19. Jahrhundert weitgehend erstarrt ist, wieder zu beleben. (….) Bergmüller arbeitet (…) mit ausgewählten Versatzstücken und feinsinnigen Allusionen, was ihre Werke hermetischer und gleichzeitig vielschichtiger werden lässt“, schrieb der Kunsthistoriker, Kulturwissenschaftler und Autor Dr. Thomas Maria Blisniewski über Mira Bergmüller.

Ein Blick auf die Vielfalt und Ausdruckskraft ihrer Arbeiten zeigt, dass Mira Bergmüller nicht nur sucht, sondern auch immer wieder findet – dass sie über eine beeindruckende Palette an Möglichkeiten, Fähigkeiten, über ein hohes Maß an Kreativität und Liebe zum Detail verfügt.

Die Grundlage dafür haben eine Ausbildung zur Holzbildhauermeisterin in München, das Studium der Bildhauerei an der Hochschule der Bildenden Künste in Dresden sowie das Meisterschülerstudium bei Prof. Martin Honert in Dresden gelegt. Heute lebt sie mit ihren beiden Töchtern in Berlin-Charlottenburg.

„Mein Handwerk stammt aus der kirchlichen Tradition Süddeutschlands. Um es in unsere weltliche Gesellschaft zu integrieren, interessieren mich Berührungs- und Anknüpfungspunkte zwischen diesen Welten – und zwar in jeder Hinsicht: von Schnitztechniken und Motiven über Materialien und Materialkombinationen bis hin zu Medien und den individuellen Wünschen meiner Kundinnen und Kunden“, so Mira Bergmüller.

In nächster Zeit möchte sie sich insbesondere mit Porträtstelen beschäftigen. „Es geht mir dabei nicht um die bloße Nachbildung wie aus dem 3D-Drucker. Meine Porträtstelen sind künstlerisch und handwerklich anspruchsvolle Übersetzungen auf der Basis von Fotovorlagen oder persönlichen Begegnungen in eine andere Materialität.“ Am Ende finden die fertigen Stelen ihren Weg als Unikate in Privathaushalte, aber auch in Galerien und Museen.