Manufaktur

Anmut Kühnheit

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Ulrike Hamm fertigt in ihrer Werkstatt Anmut Kühnheit farbenfrohe, anmutige Schmuckkunst, Lampen und andere kunstvolle Objekte aus Pergament.

Die gelernte Goldschmiedin kam 1990 nach Berlin. Als Gasthörerin an der UdK belegte sie Seminare in Kunstgeschichte, Bildhauerei und Zeichnen und studierte dann Schmuck und Gerät an der Hochschule Pforzheim, Fachbereich Gestaltung. 2001 war sie erstmals mit ihren Arbeiten aus Echtem Pergament auf der Ambiente in Frankfurt am Main vertreten. Es folgten Publikationen in der Fachpresse und in Ausstellungskatalogen.

„ANMUT KÜHNHEIT, Werkstatt für Echtes Pergament“, eröffnete im Mai 2014 an einem neuen Standort im Aufbau Haus am Moritzplatz in Berlin-Kreuzberg. Das Haus ist Sitz der Aufbau Verlagsgruppe und Modulor Material Total und ein ehemaliges Fabrikgebäude, das in einzigartiger Weise Kultur und Kreativwirtschaft unter einem Dach verbindet. Auf der Dachterrasse befindet sich die Werkstatt für Echtes Pergament, ein offener Raum für die verschiedenen Arbeitsbereiche Entwerfen, Material zurichten, Färben, Goldschmieden. Der Raum ist Atelier, Werkstatt und Laden gleichermaßen. Eigene Arbeiten sowie Arbeiten von Kollegen und Gästen rund um das Thema Echtes Pergament und Angewandte Kunst werden zusätzlich in kurzen Ausstellungen gezeigt und es finden Workshops statt.

Ulrike Hamm realisiert auch spezifische Wünsche und Vorstellungen bezüglich der Verarbeitung des Werkstoffs Pergament. Je nach Projekt werden andere Gewerke hinzuzogen oder Arbeiten dorthin vermittelt, wie z. B. Buchbinderei, Restaurierung oder dem Musikinstrumentenbau.

Für Ulrike ist Pergament kein Werkstoff von der Stange, der genormt geliefert wird. Es ist störrisch, geheimnisvoll, lebhaft, kostbar, unberechenbar. Ein Material, das erspürt, erobert, erschlossen werden will.

Für die Materialauswahl reist sie direkt zum Hersteller. Nur dort gibt es ein entsprechendes Angebot an Pergamenten. Stundenlang dauert die Sichtung, bis aus Hunderten von Häuten einige wenige ausgewählt sind, die ihren Anforderungen genügen. Doch auch an diesen haben die Anatomie, das Leben und die Verarbeitung ihre Spuren hinterlassen. Je nach herzustellendem Stück können nur bestimmte Partien einer Haut verwendet werden – eine Auswahl, die viel Erfahrung voraussetzt.

Um dem Pergament nahe zu kommen, lotet sie seine Eigenschaften aus. Unterschiedliche Einflüsse wie Hitze, Kälte, Nässe oder Säure führen es an seine mechanischen Grenzen. Aus der Fläche entwickelt sie dreidimensionale Formen und Verbindungen, Färbe- und Drucktechniken werden auf ihre Tauglichkeit für das Pergament untersucht. Die vorbereiteten Zuschnitte färbt sie in einer Reihe von Arbeitsschritten im Farbbad. Solange die Teile vom Färben noch weich und elastisch sind, werden sie zu Schmuckstücken montiert.

Als Trägermaterial von geschriebener Information löste das Pergament etwa 250 n. Chr. das Papyrus ab. Ausgangsmaterial sind Häute von Kalb, Ziege und Schaf. Während bei der Lederherstellung das Fasergeflecht durch Gerbstoffe chemisch verändert wird, um die Beweglichkeit der Fasern zu erhalten, wird genau dies beim Pergament gezielt vermieden. Durch die sorgfältige Trocknung der gespannten Haut erwirbt das Material seine einzigartigen Eigenschaften: Pergament ist leicht und elastisch, aber kaum dehnbar. Selbst in langjährigem Gebrauch reißt oder bricht es nicht.

Während der Trocknung schrumpft das Pergament und legt sich entsprechend seiner Wachstumsrichtung. Teilweise wirkt Ulrike Hamm auf diesen Prozess ein. Dieses Wechselspiel von Einflussnahme und natürlicher Entwicklung lässt Raum für die häufig inspirierenden Überraschungen der dem Material innewohnenden Eigenschaften. Und erst jetzt entscheidet sich, ob sich die Mühe gelohnt hat. Die Schmuckstücke, die diese letzte Prüfung bestehen, belohnen durch ihre Farblebendigkeit, ihre anmutige Form und ihre federnde Leichtigkeit.