Freiburger Orgelbau

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Seit über 160 Jahren werden in Freiburg Pfeifenorgeln gebaut, die mit ihrem Klang Kirchenräume und ganze Konzertsäle erfüllen. In der nunmehr fünften Generation entstehen beim Freiburger Orgelbau nicht nur klanglich, sondern auch visuell beeindruckende Instrumente.

Seit 1862 befindet sich die Orgelbauwerkstatt in March-Hugstetten bei Freiburg. Hier werden handwerkliche Präzision und musikalische Leidenschaft miteinander verbunden. Das 20-köpfige Team um Tilmann Späth fertigt nahezu alle Komponenten selbst, vom Gehäuse bis zur feinsten Traktur. Lediglich die Metallpfeifen sowie elektronische Bauteile werden extern bezogen.

Nach einer etwa einjährigen Planungsphase, zahlreichen Skizzen und Konstruktionsplänen, beginnt schließlich die Produktion. Nach Fertigung aller Teile wird die Orgel vollständig in der Werkstatt montiert – alle Pfeifen eingesetzt und klanglich abgestimmt – bevor sie für den Transport wieder in ihre Einzelteile demontiert wird. In LKWs oder Seefrachtcontainern erreicht die Orgel schließlich ihren Bestimmungsort. Hier wird sie erneut aufgebaut und akustisch auf den Raum abgestimmt.

Nicht nur in Deutschland finden sich die Freiburger Orgeln – sondern mittlerweile auch in Südkorea. Für das International Art Center in Busan baute das Freiburger Team unlängst eine neue Konzertsaalorgel. Neben dem eigenen Bau von Instrumenten widmet sich das Team aber auch der Restauration historischer Orgeln – wie etwa in Kirchen-Hausen im Schwarzwald.

 

Die neue Späthorgel im Konzertsaal im südkoreanischen Busan

 

Was bieten Sie Ihren Kunden?

Wir bieten alle Leistungen rund um die Pfeifenorgel – vom Neubau über Restaurierung, Renovierung, Reinigung und Revision bis hin zur regelmäßigen Wartung. Jedes Projekt – ob groß oder klein – wird bei uns mit Sorgfalt und Liebe zum Detail betreut.

 

Was suchen Kunden (aus Ihrer Sicht) bei Ihnen?

Unsere Kunden schätzen vor allem die individuelle Beratung und die Fähigkeit, für jede Situation – ob Neubau oder Überarbeitung – eine maßgeschneiderte Lösung zu finden. Besonders bei historischen Instrumenten tauchen wir tief in die Eigenheiten der jeweiligen Orgel ein, um ein Ergebnis zu erzielen, das dem ursprünglichen Charakter des Instruments gerecht wird.

Ein Beispiel dafür ist die aktuelle Rekonstruktion einer Orgel von 1877 in Kirchen-Hausen bei Geisingen im Schwarzwald. Diese Orgel wurde im Laufe ihres Lebens mehrfach stark verändert. Unsere Aufgabe ist es nun, sie so weit wie möglich in ihren ursprünglichen Zustand zurückzuführen – eine Herausforderung, die viel detektivisches Gespür erfordert. Dafür werten wir alte Akten aus, analysieren Vergleichsinstrumente desselben Orgelbauers und untersuchen das vorhandene Instrument bis ins kleinste Detail. Jedes Fragment, jede alte Bohrung oder Farbschicht kann dabei ein wertvoller Hinweis sein. Ziel ist es, nicht einfach zu restaurieren, sondern die ursprüngliche Idee und den Klang des Instruments möglichst authentisch wieder erfahrbar zu machen.

 

 

Was können Sie besser als andere? Oder bescheidener gefragt: Haben Sie bzw. Ihr Unternehmen eine Art Alleinstellungsmerkmal oder besondere Kenntnisse, die ggf. selten sind?

Unser Herzstück ist unser Team aus 20 motivierten Orgelbauerinnen und Orgelbauern – gemeinsam tragen sie die Leidenschaft und das handwerkliche Können, die unsere Arbeit ausmachen. Wir legen großen Wert auf gute Kommunikation – sowohl intern als auch mit unseren Kunden. Unser Ziel ist, dass sich jeder Auftraggeber – vom kleinen Gemeindekirchenrat bis zum großen Konzertsaal – bestens betreut und verstanden fühlt.

Dabei ist jede Orgel, die wir bauen, ein Einzelstück – wie ein Prototyp. Nichts wird in Serie gefertigt. Sowohl die technische Konstruktion als auch die äußere Gestaltung und klangliche Konzeption werden individuell auf den Raum und die Bedürfnisse der Nutzer abgestimmt. So entwickeln wir für jeden Aufstellungsort ein maßgeschneidertes Instrument.

Ein Beispiel dafür ist unser jüngstes internationales Projekt: der Bau einer großen Konzertsaalorgel für das International Art Center in Busan, Südkorea. Den Zuschlag dafür erhielten wir im Rahmen eines internationalen Wettbewerbs. Es folgte eine einjährige Planungsphase in enger Abstimmung mit dem Auftraggeber, Musikern, Architekten, Statikern und Akustikern – mit zahlreichen digitalen und persönlichen Meetings über Kontinente hinweg.

In 1 ½ Jahren wurde dann in unserer Werkstatt jedes einzelne Bauteil eigens gefertigt. Die fertige Orgel wurde in sechs Seefrachtcontainern nach Südkorea verschifft – eine logistische Herausforderung, die präzise Planung und Erfahrung erforderte. Zwischen November 2024 und März 2025 haben wir das Instrument schließlich mit einem eigenen Team vor Ort aufgebaut, intoniert und fertiggestellt.

Solche Projekte zeigen, dass wir nicht nur handwerklich höchste Qualität liefern, sondern auch komplexe Prozesse im internationalen Kontext verlässlich und flexibel umsetzen können.

 

 

Ist das, was Sie tun, typisch für Ihre Region?

Die deutsche Orgelbautradition ist weltweit etwas ganz Besonderes – sie gehört nicht umsonst zum UNESCO-Weltkulturerbe. In Freiburg arbeiten wir in einer Region, die sowohl von der barocken Orgelkunst etwa der Silbermann-Schule als auch von den französisch-romantischen Orgeln eines Cavaillé-Coll geprägt ist – beides fließt auf subtile Weise in unsere Arbeit ein.

 

Prägt das regionale Umfeld Sie und Ihre Tätigkeiten?

Jede Orgel trägt auch ein bisschen die Handschrift ihrer Erbauer. In unserem Fall darf man sagen: Unsere Orgeln klingen vielleicht sogar ein bisschen badisch – mit einem warmen, offenen Klang und einem Hang zur Freude am Detail.

 

 

Gibt es etwas, für das Ihre Region bzw. Ihr Lebensort besonders bekannt ist?

Freiburg steht für Offenheit, Nachhaltigkeit, Wein und Sonne – das prägt auch die Stimmung in unserer Werkstatt. Und natürlich für seine vielfältige Kulturlandschaft, in der die Orgel ihren festen Platz hat.

 

Wo gehen Sie hin, wenn Sie entspannen wollen?

Ich entspanne am besten in Bewegung – beim Wandern mit meiner Frau und den beiden Kindern im Schwarzwald oder in der Boulderhalle. Für mich ist das der perfekte Ausgleich zur Arbeit mit Klang und Feinmechanik.

 

Können Sie ein Restaurant aus Ihrem Umfeld besonders empfehlen?

Da wir gerade eine neue Konzertsaalorgel nach Busan, Südkorea geliefert haben, gehe ich aktuell gern ins „Jeju Korean Bistro“ in der Grünwälderstraße – ein kleines Stück Korea in Freiburg.

 

Kleine Übungsorgel im chinesischen Zhejiang Conservatory of Music in Hangzhou

 

Gibt es einen speziellen Einzelhandelsladen, den Sie empfehlen können, den es nur in Ihrem Ort (oder in der Region) gibt?

Ja – die Jos Fritz Buchhandlung in der Wilhelmstraße in Freiburg. Ein wunderbarer Ort zum Stöbern, Entdecken und Versinken – mit einem ausgesuchten Sortiment, engagierten Menschen und dem gewissen Freiburg-Flair, das man in keiner Kette findet.

 

Haben Sie das Gefühl, dass die Politik mehr für Sie bzw. Ihre Branche tun könnte? Wenn ja, was?

Ja, absolut. Als kleiner, spezialisierter Handwerksbetrieb fühle ich mich in der politischen Landschaft oft schlichtweg nicht gesehen. Wir arbeiten hochqualifiziert, bilden aus, tragen kulturelle Verantwortung – und trotzdem kämpfen wir mit enormer Bürokratie, hohen Steuerlasten und einem Regelwerk, das oft an der Lebensrealität kleiner Betriebe vorbeigeht. Über unsere Fachverbände und auch über den Zentralverband des Deutschen Handwerks versuchen wir Einfluss zu nehmen – aber in der Praxis kommt davon wenig an. Es bräuchte viel mehr direkte Dialogformate und konkrete Entlastungen für das Handwerk, damit unsere Arbeit nicht zur Belastungsprobe wird.

 

Bei der Herstellung eines Spieltisches ist höchste Präzision gefordert

 

Wie ist die Ausbildungssituation in Ihrem Bereich? Finden Sie leicht Nachwuchs? Was vermissen Sie?

Wir haben das Glück, regelmäßig junge Menschen zu finden, die sich für unseren besonderen Beruf begeistern – sicher auch durch unser junges Team und die Lage in Freiburg. Wir bilden bis zu zwei Orgelbauer*innen pro Lehrjahr aus und erleben viel Engagement. Gleichzeitig merken wir, wie wichtig es wäre, handwerkliche Berufe noch stärker in der Schule und der Gesellschaft zu verankern.

 

Welches Schulfach sollte es geben, das es noch nicht gibt?

Ich fände ein Schulfach „praktisches Handwerk“ sehr sinnvoll. Nicht als einmaliges Projekt, sondern regelmäßig, mit echter Werkstattarbeit. Es geht mir dabei nicht nur um handwerkliches Geschick, sondern um ein Verständnis für Materialien, Prozesse, Geduld – und um das Erleben, dass man mit den eigenen Händen etwas Bleibendes schaffen kann.Aktuell machen viel zu viele junge Menschen Abitur, weil das oft als einziger richtiger Weg gilt. Dabei wird das Handwerk häufig übersehen – obwohl es vielfältige, erfüllende und zukunftssichere Möglichkeiten bietet. Ein solches Schulfach könnte helfen, das wieder ins Bewusstsein zu rücken und dem Handwerk den Platz zu geben, den es verdient.

 

 

Wenn Sie für ein Jahr Bürgermeister Ihrer Stadt wären: Was würden Sie einführen oder ändern?

Ich würde einen offiziellen Tag der Orgelmusik einführen. An diesem Tag ertönen in der ganzen Stadt – in Kirchen, Konzertsälen, Werkstätten, ja vielleicht sogar im Parkhaus – Orgelklänge in allen Farben und Stilen. Die Freiburger*innen könnten entdecken, was für ein unglaublich vielseitiges Instrument die Orgel ist – von barock bis zeitgenössisch, von meditativen Klängen bis zu wuchtigen Klanggewittern. Und wer mag, darf selbst mal eine Taste drücken. Das wäre musikalische Bildung, Stadtfest und Liebeserklärung an das Handwerk in einem.

 

Wenn Geld oder andere Abhängigkeiten keine Rolle spielen würden: Wo würden Sie am liebsten leben?

Freiburg ist schon ein ziemlich guter Ort. Aber wenn’s ganz frei wäre: Vielleicht ein Haus mit Blick aufs Meer – in Italien oder irgendwo, wo man nach dem Stimmen einer Orgel gleich in die Wellen springen kann.

 

Kirchenorgel in der Heilandkirche in Bonn Bad Godesberg

Freiburger Orgelbau
Hartwig und Tilmann Späth, OHG
Herrenstraße 9
D-79232 March-Hugstetten

Tel.: +49 (0) 7665 – 12 57
Fax: +49 (0) 7665 – 4 17 56
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