Keimzelle

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Gemeinsam gärtnern und Kunst leben als utopisches Labor einer gerechten und ökologischen Stadtgesellschaft – das war die Devise des Nachbarschaftsgartens »Keimzelle« (2011-2019) in Hamburg. Die Beiträger*innen des Bandes, herausgegeben von Anke Haarmann und Harald Lemke, liefern eine theoretisch fundierte wie literarisch-künstlerische Auseinandersetzung mit dem Potenzial von urbanen Räumen des Selbermachens. Begleitet von einer sachkundigen Diskursgemeinschaft wird das Gärtnern zum Modell einer transformativen Kraft, in der Fragen des Guten Lebens greifbar werden. Und im Zusammenspiel von kritischer Wissenschaft und politischer Initiative werden die Möglichkeiten einer alternativen Stadtentwicklung deutlich. Eine Pflichtlektüre nicht nur für Commoner*innen, Konvivialist*innen und Gärtner*innen.

Haarmann und Lemke erzählen einleitend davon, wie in der Keimzelle gekocht wurde, rumgelungert, gelesen und gelernt. Gelegentlich wurden zwischen den Topinamburblüten Reden gehalten. Käfer und überhaupt allerlei Insekten und Kleinstlebewesen, die dort vorher nicht waren, kamen und blieben oder verschwanden wieder. An diesem ‚mittendrin gelegenen Ort‘ wucherten allerlei Fragen: Ob ein nicht eingezäuntes und allen zugängliches Allgemeingut – eine Allmende oder Commons wie unser Garten – respektiert wird? Was Kunst im öffentlichen Raum und im öffentlichen Interesse leisten kann? Wie Gartenkunst als Gemüseanbau geht? Und was transformative Praxen und keimzellenartiges Kulturschaffen ausmacht?

Die kleine Garteninitiative begann als ein Zusammenspiel aus künstlerischer Intervention, Urbanismus von unten und gelebter DIY-Philosophie. So kam es, dass sie von Anfang an Kunst, Politik und Gemüse in Praxis und Theorie kultivierte. Der Band „Keimzelle“ soll über die gärtnerische Praxis hinaus auch den diskursiven Humus und die philosophischen Grundlagen bereiten für ein fortgesetztes Beackern und Territorialisieren, ein Sich-Erden von Stadtpolitik, urbanem Leben und der Kunst des Gemüseanbaus. Die zusammengesammelten Beiträge und Impulse sind wie Kraut und Rüben: Sowohl vom Umfang her als auch im Stil sehr unterschiedlich. Kulturtheoretische, stadtplanerische, soziologische, geografische, philosophische Texte sind dabei, so wie solche von Gärtner*innen, Aktivist*innen, Journalist*innen und Filmemacher*innen.

Keimzelle. Transformative Praxen einer anderen Stadtgesellschaft. Theoretische und
künstlerische Zugänge
Anke Haarmann, Harald Lemke (Hg.)
Transcript Verlag
ISBN: 978-3-8376-5550-6
224 Seiten
Erschienen 21. Dezember 2021

25,00 Euro

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Titelfoto von: Meisterrat Berlin-Brandenburg e.V.