Der Gefäßmacher

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DMS im Gespräch mit Berthold Hoffmann.

In Deiner Werkstatt entstehen besonders schöne gusseiserne Kochgefäße – ein sehr spezielles Produkt. Wie erreichst Du Deine Käufer?

Ich bin jetzt seit 40 Jahren selbstständig am Markt. Man braucht schon Hartnäckigkeit und Ausdauer, um das durchzuhalten. 1986 habe ich mich selbstständig gemacht und im
Verkauf mit den typischen Messen für angewandte Kunst angefangen. Leider haben die Institutionen, wie Museen, versäumt, diese Veranstaltungen für ein jüngeres Publikum attraktiv zu machen. Die Grassimesse in Leipzig, die Zeughausmesse in Berlin oder die Messe des Museums für Kunst und Gewerbe in Hamburg – das sind vielleicht ganz schöne Adressen, um sich auf einem hohen Level darzustellen. Aber rein von der existentiellen Seite her ist dieser Verkaufsweg sehr fragwürdig geworden.

Kannst Du Deinen Kunden in Gesprächen die besondere Qualität Deiner Produkte vermitteln?

Das ist einfach erzählt und am Ende auch wieder nicht: Mein Alleinstellungsmerkmal ist, dass ich auf handwerkliche Art und Weise gusseisernes Gerät herstelle. Die Herstellungsweise unterscheidet sich nicht von der Herstellungsweise von vor 100 Jahren. Das Problem ist: Viele Industrieunternehmen tun so, als würden sie auch individuell gefertigte Einzelstücke anbieten, sie schreiben das in ihre Werbebroschüren hinein, obwohl das natürlich nicht stimmt. Die sind hochtechnisiert, das hat mit Handwerk überhaupt nichts zu tun, die Töpfe laufen zu Tausenden vom Band. So werden die Grenzen verwischt. Ich verstehe mich vorrangig als Gestalter. Ich bin ja ursprünglich nicht als Kochtopfmacher oder Pfannenmacher angetreten, sondern als Gestalter von schönen Gefäßen. Ich komme vom Silberschmieden, da geht es entweder um Flachware, Besteck oder Korpusware, Gefäße im weitesten Sinne. Ich sehe mich als Gefäßmacher, und vorrangig war es mein Anspruch, schön gestaltete Gefäße herzustellen. Über mein Studium bin ich an die Gusstechnik geraten und das Gusseisen. Ich mag das Material sehr und letztendlich hat sich aus der Notwendigkeit, dass ich meine Objekte auch verkaufen muss, ergeben, dass ich Kochgerät angeboten habe. Tja, aber die Leute hier in Deutschland sind relativ spröde im Denken. Die sehen ein tolles dekoratives Gefäß aus Keramik und haben kein Problem, sich ein schönes Gefäß zu kaufen und irgendwo hinzustellen. Aber einen gusseisernen Topf? Gusseisen spricht nicht unbedingt den Menschen sofort an, Metall ist als Material nicht so anschmiegsam wie z.B. Holz.

Ist eine Barriere vielleicht auch, dass die Leute gerade für funktionales Gerät nicht so viel ausgeben wollen? Der preiswertere Topf tut es ja auch …

Das Feedback meiner Kunden zeigt mir, dass sie meine Objekte aufgrund der Gestaltung und der Funktionalität kaufen, um diese zu benutzen. Es gibt doch nichts Schöneres als gut gestaltetes Werkzeug. Ich produziere Werkzeug in Form von Kochgerät, das man in seinen Alltag einbauen kann. Diese gusseisernen Geräte sind ja praktisch unzerstörbar. Sie sind schön und praktisch.

Aber auch eine Le Creuset-Pfanne ist schwer zu zerstören. Ist aus deiner Sicht Le Creuset ein Beispiel für Industrie?

Le Creuset ist der Inbegriff des industriellen Produzenten, hat sich aber gestalterisch kaum weiterentwickelt seit seinen Ursprüngen Anfang des 20. Jahrhunderts, außer dass die Emaillierung immer bunter wird. Wo finden sich weltweit Kunsthandwerker oder Manufakturen, die noch ähnlich arbeiten wie Du? Es gibt vielleicht in Japan ein paar Manufakturgießereien, in denen gusseiserne Kochgefäße oder Teekannen hergestellt werden. Aber sonst hier in Deutschland und im europäischen Raum ist mir jetzt niemand bekannt, der gusseiserne Kochgeräte auf die Art und Weise herstellt.

Nirgendwo im europäischen Raum?

Nein.

Wo finden sich weltweit Kunsthandwerker oder Manufakturen, die noch ähnlich arbeiten wie Du?

Es gibt vielleicht in Japan ein paar Manufakturgießereien, in denen gusseiserne Kochgefäße oder Teekannen hergestellt werden. Aber sonst hier in Deutschland und im europäischen Raum ist mir jetzt niemand bekannt, der gusseiserne Kochgeräte auf die Art und Weise herstellt.

Dann kannst Du Deiner Bank gegenüber guten Gewissens ein klares Alleinstellungsmerkmal anführen. Aber der Banker würde sagen: Herr Hoffmann, Sie müssen ihre Produkte auch verkaufen, wer kauft Pfannen für 400 EUR?

Die müssten teurer sein, das ist klar. Aber ich versuche schon Preise zu gestalten, die nicht nur für Gutverdiener erreichbar sind. Bei Richard Wagner rief Hans Sachs: „Ehret Eure deutschen Meister, dann bannt ihr böse Geister“. Sollte die gesellschaftliche Wahrnehmung von künstlerischem Handwerk eine andere sein? Es ist in Deutschland wirklich ein gesellschaftliches Problem, dass es vor allem keine Kultur der Selbstständigkeit gibt. In meinem Fall finden die Leute zwar toll, was ich mache, aber niemand macht sich Gedanken darüber, dass man nur existieren kann, wenn etwas gekauft wird. 80 Prozent der Deutschen arbeiten in festen Anstellungsverhältnissen, die können sich gar nicht vorstellen, wie jemand in permanenter Unsicherheit arbeiten kann und vielleicht nicht weiß, wie er am Monatsanfang sein Geld zusammenkriegt für Miete, Werkstatt und Nebenkosten und was alles so anfällt. Meine Erfahrung auf Messen in den USA hat mir gezeigt, dass es auch anders geht, die Bereitschaft der Interessenten, etwas zu kaufen ist viel größer, weil sie sagen: Meine Güte, der Mann macht tolle Sachen, und wenn ich das honoriere, indem ich ihm etwas abkaufe, kann er weitermachen.

 

Dieses Interview ist ein Auszug aus dem Buch:
Handmade in Germany. Manufactory 4.0.
Herausgeber: Pascal Johanssen
Gebundene Ausgabe: 240 Seiten
Verlag: ARNOLDSCHE; Auflage: 1 (1. Juli 2019)
Sprache: Englisch, Deutsch
ISBN-10: 3897905418
ISBN-13: 978–3897905412
Website: https://www.hoffmann-metallgefaesse.de/